Eulogy - Superhero(es)
Unser aller Kämpfe
"Superhero(es)" an den Tanz-Landesbühnen Sachsen in
Radebeul
Was ironisch beginnt, ist einTanzabend, der sich langsam zu einem fulminanten Ringen um die Existenz an sich steigert.
RICO STEHFEST
DRESDEN/RADEBEUL, 14/01/2023
Damit kann das Publikum entspannt in die Pause gehen. Dabei sollte man unbedingt die Gelegenheit nutzen, an der frischen Luft tief durchzuatmen. Denn für den letzten Teil, für Luana Rossettis "Eulogy", sollte man sich wappnen. Rossetti gehört nicht zum Ensemble; Natalie Wagner hat sie bereits vor einiger Zeit kennen- und ihre Ansätze als Choreografin lieben gelernt. Rossetti tanzte in der Vergangenheit unter anderem bei Maura Morales in Düsseldorf. Was sie hier mit absolut sicherer Hand auf die Bühne knallt, ist eine düstere Gemeinschaft, wie sie Sartre und Camus beklatschen würden, ein Mikrokosmos, so schmutzig wie Houellebecqs Gesellschaftskritik. In einem spärlich erleuchteten Raum, dessen Boden mit dunkler, loser Erde bedeckt ist und der allein durch das Licht strukturiert wird, breitet sie eine bedrohliche Atmosphäre aus, die sich über die gesamte Dauer des Stücks primär aus starken zeitlichen Verzögerungen des Bewegungsvokabulars zusammensetzt. Von Zeitlupe ließe sich dabei aber nicht sprechen. Diesen Licht-Raum eröffnet Marianne Reynaudi in einem schlichten weißen Kleid, sichtbar innerlich zerrissen. Das Programmheft spricht hier von Erwartungen Anderer, die an uns gestellt werden, von der Befreiung von negativen Gefühlen. Zu dieser Befreiung strebt hier alles hin. Alles ist ein ewiger Fluss, ein Fließen der Sehnsüchte, so treibend wie auch getrieben. Teilweise an Albträume grenzend brechen die inneren Kämpfe aus den Verzögerungen körperlich heraus und kontrastieren verstörende Brutalität mit zutiefst ergreifender Zärtlichkeit. Die Kostüme, die Reste einer Zivilisation zu zitieren scheinen, verlieren durch die Erde immer mehr an Eigenheit. Alles und jeder wird zu einer dreckigen Masse, einer Einheit, die mit allen Sinnen um nichts Geringeres als die Existenz an sich ringt. Dessen Zeuge zu werden, tut geradezu weh. Entziehen kann man sich dem nicht. Es ist, als wäre alles ein einziger Moment, die Essenz einer komplexen Auseinandersetzung, aus der alles Überflüssige rausgeschmissen worden wäre. Die Landesbühnen können sich glücklich schätzen, ein solches Stück im Repertoire zu haben.